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Zart bleiben.

Pflegeprodukte für Männer in Edelstahl oder Holzoptik mit Vulkanerde, Aktivkohle, Tabak und Hanf: Wieso klingen Duschgels wie eine Reise zum Mittelpunkt der Erde, von der man vermutlich nie zurückkehren wird? Das fragt Autor und Moderator Fabian Hart unter anderem in seinem Podcast „Zart Bleiben“, in dem er für ein neues Verständnis von Männlichkeit plädiert. Einige Gedanken teilt er hier mit uns.

Egal auf welcher Plattform, meine Botschaft ist überall dieselbe: Die Geschichte vom Mann als dem ewig starken Geschlecht muss endlich auserzählt werden. Das hat absolut nichts mit Männer-Bashing zu tun – ich bin ja selbst einer. Die traditionelle Vorstellung von Männlichkeit steht dabei nämlich uns allen im Weg, gerecht miteinander umzugehen und uns selbst gerecht zu werden. Diese patriarchale Perspektive, sich als Mann grundsätzlich verantwortlich zu fühlen und überlegen – wirtschaftlich, körperlich, mental –, unterdrückt im Endeffekt alle: Frauen, queere Personen und letztendlich Männer selbst.

 

Blaue Strampler, echte Helden.

Von klein auf werden uns Rosa-versus-Blau-Schablonen übergestülpt, die uns mit den Jahren ganz nebenbei in Fleisch und Blut übergehen, so dass sie als Tradition romantisiert oder gar als biologisch bedingt vermutet werden: der blaue Strampler, Sprüche wie „Große Jungs weinen nicht“ bis zu „Machern“ in der Politik, beim Sport, Heldenfiguren in Filmen und Serien, die in den meisten Fällen übrigens Gewalt anwenden, auch wenn sie „die Guten“ sind. Männlichkeit muss ständig bewiesen und verteidigt werden und braucht zwangsläufig einen unterlegenen Gegenpart – ein schwaches Geschlecht.

Macht ist per se männlich. Die Mehrheit derer, die in unserer Gesellschaft Führungspositionen einnehmen und auch das Konzept und Verständnis von Macht prägen, sind Männer. Doch immer der Boss zu sein, Wortführer, Versorger, verformt die Persönlichkeit und reduziert Männer auf nur diese Anteile und macht sie zu Unterdrückten ihrer selbst. Das kann nur kaputt machen. Körperlich, aber auch psychisch.

 

Stark ist, auch mal schwach zu sein.

Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Auch ich habe immer wieder versucht, Anteile an mir zu überspielen und zu unterdrücken, die allgemein als unmännlich gelten. Ich weiß, wie hart es ist, das Blau wieder herunterzubekommen, mit dem uns Gesellschaft, Popkultur und Kapitalismus täglich überschütten. Als Kind musste ich Fußball spielen und mich in den Technikunterricht setzen statt Französisch zu lernen.

Zu oft übermannt Männer die Scham davor, als schwach zu gelten und Dinge zu tun, die in unserer Gesellschaft als weiblich festgelegt sind. Männlichkeit ist ein ganzer Anforderungskatalog, der dich limitiert: von der Art, wie du sprichst oder ein Getränk hältst, über die Berufswahl bis hin dazu, wen und wie du liebst. Dass ich heute selbstverständlich zum Pilates gehe, wieder weinen und über die Dinge sprechen kann, die ich auf dem Herzen habe, dafür musste ich die gängige Geschlechterordnung decodieren, die bis heute mal bewusster, mal subtiler Frauen als sensibel und intuitiv, Männer als stark und rational festlegt.

 

Harte Schalen begrenzen den weichen Kern.

Das patriarchale Männlichkeitsbild schnürt Männer in ein Korsett ein, in eine harte Schale – und wir haben uns im Vergleich zu Frauen in den letzten 40 Jahren eher passiv mitentwickelt, uns fehlt eine eigenmotivierte Bewegung, uns daraus zu befreien. Keine Bewegung der geballten Fäuste und der angespannten Muckis, sondern eine des Willens, zart und schwach sein zu dürfen, ohne sich wie ein Verlierer, ein entmannter Lappen vorzukommen, der seinen ökonomischen Status und andere Privilegien verloren hat.

Da wir uns hier im Kontext Pflege befinden: Stereotype Männerprodukte für „echte Männer“ bringen uns da übrigens auch nicht weiter, weil sie nur bestätigen, dass Männlichkeit die stete Ablehnung von Weiblichkeit ist. Produkte für Männer in Edelstahl oder Holzoptik mit Vulkanerde, Aktivkohle, Tabak und Hanf: Wieso klingen Duschgels wie eine Reise zum Mittelpunkt der Erde, von der man vermutlich nie zurückkehren wird?

 

Selbstfürsorge kennt kein Geschlecht.

Sich selbst fürsorglich zu behandeln wird da gleich zur tragischen Geschichte vom Mann als einsamem Abenteurer – und damit meine ich nicht nur Schönheitspflege. Sätze wie „Ich brauche keinen Vorsorgetermin, ich bin ja gesund“ sind typisch für Männer. Selfcare ist eben auch eine Form von Care-Arbeit – und die ist kulturell der Frau zugeordnet.

Wir alle haben mehr Übung im Abgehärtetsein als darin, zu verstehen, was wirklich mit uns los ist, und das dann auch zum Ausdruck zu bringen. Für Männer und ihr Erbe der Story vom starken Geschlecht ist das eine besondere Herausforderung. In der Fürsorge – und vor allem der Selbstfürsorge – liegt etwas sehr Revolutionäres für den Mann. Denn die Wahrheit ist: Niemand kann nur stark oder nur schwach sein. Es gibt kein schwaches Geschlecht. Es gibt kein starkes Geschlecht. Wir alle tragen Anteile von beidem in uns.

 

Neue Formen von Männlichkeit.

Der Kampf um Geschlechtergerechtigkeit muss auch von Männern ausgehen, weil sie uns allen mehr Freiheit schenkt, unsere Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Ein wichtiger Schritt für Männer ist dabei die Überwindung der Scham, Dinge zu tun, die als weiblich gelten. Was ich ganz sicher weiß: Es sind die als feminin und weiblich festgelegten Attribute, die mir dabei helfen, eine gesunde Beziehung zu mir selbst aufzubauen und mit anderen zu führen. Ich halte dem rigiden Männerbild das Zarte, Zärtliche, Sanfte entgegen – das andere Männliche.

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